Na, noch voll im Kopf?

Die Sache mit dem Kopf und Verstand

Manchmal höre ich in Gesprächen mit Menschen, die einen „spirituellen Werdegang“ anstreben, Sätze wie; „Ich bin noch voll im Verstand“. Dann frage ich mich, wie sie das meinen. Was sie erreichen wollen. Was streben sie an. Wenn ich euch sagen würde: „Ich habe bereits den Verstand voll verloren“, würdet ihr mich feiern? Wäret ihr dann neidisch auf mich? Würdet ihr sagen: „Beneidenswert! So verstandlos wie sie wäre ich auch gerne“?

Was stimmt mit dem armen Verstand nicht, dass manche Menschen ihn loswerden wollen? Ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass es in der Welt einen Überschuss an Verstand gibt. Mir scheint es eher, der Welt fehlt es gewaltig an Verstand. Der Verstand ist doch das Vermögen zu denken, so Immanuel Kant. Die Denkkraft, die Fähigkeit des geistigen Erfassens, so Rudolf Eisler. Die Denkfähigkeit ist das, was den Menschen von Tieren unterscheidet.

Oder mache anderen sagen Dinge wie; „Ich bin noch voll im Kopf.“ Diesen Satz höre ich regelmäßig. Dann frage ich mich: „Was heißt denn noch? Hat er vor seinen Kopf zu verlassen? Wo will er denn hin? Warum ist er voll im Kopf? Verteile dich doch gleichmäßig auf deinen ganzen Körper. Er ist doch groß genug!“

Ich meine, warum leben manch Menschen überhaupt so eingeschränkt? Obwohl sie so viel Raum zur Verfügung haben, pressen sie sich in einem kleinen Kopf zusammen. Wie soll das überhaupt gehen? Wenn ich voll im Kopf wäre, wäre mein Kopf so unheimlich schwer, dass die Erdanziehungskraft voll zuschlagen würde, und ich voll auf dem Kopf fallen würde. Dann würde ich auf meinem Kopf laufen. Und obwohl ich viele Menschen kenne, die behaupten, voll im Kopf zu sein, doch ist mir noch niemand begegnet, der auf seinem Kopf läuft. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Das widersprich den physikalischen Gesetzen.

Aber jetzt mal ehrlich: Was stimmt mit dem Kopf nicht,

dass manche Leute ihn verlassen wollen? Wenn ich euch sagen würde: „Hey! Ich bin schon so kopflos, dass ich gar nicht mehr weiß, wo mein Kopf steht“, würdet ihr mich beneiden? Würdet ihr sagen: „Toll! So kopflos wie sie wollte ich auch sein“? Wer voll im Kopf ist, muss dementsprechend voll sehen, voll hören, voll schmecken, voll riechen, voll denken können. Alle diese Dinge ereignen sich nämlich im Kopf. Aber auch das sehe ich nicht unbedingt bei den „voll-im-Kopf-Menschen“. Wer nicht im Kopf ist, sondern wo anders, kann diese Dinge nicht erleben. Er kann nicht sehen, nicht hören, nicht schmecken, nicht riechen, nicht denken, denken, denken, denken …

Das alles kann er nicht, wenn er nicht im Kopf ist. Und dann? Wird er erleuchtet oder spirituell sein? Und wenn überhaupt. Was soll er mit seiner „Erleuchtung“ anfangen so ganz ohne Kopf? Die Kerze wird ja auch an ihrer Spitze – ihrem Kopf – angezündet.

Man mag es nicht glauben, aber die rechte Gehirnhälfte, wo unter anderem unsere Intuition sitzt, ist auch voll im Kopf.

Was viele Menschen mit „voll im Kopf sein“ meinen, hat gar nicht mit dem Kopf zu tun. Mit „Kopf“ oder „Verstand“ meinen sie in der Regel ihre Ängste. Und Ängste sitzen nicht im Kopf, sondern im Bauch: in Solar-Plexus. Es hört sich nur besser an, wenn ich sage „ich bin noch voll im Kopf“, als wenn ich gestehe „ich habe Angst.“ Oder „Ich bin voll im Bauch.“ Und so drehen sich solche Leute in der Regel in einem Kreis. Weil sie Angst davor haben, Angst zu haben und nicht zugeben wollen, dass sie Angst haben, beschuldigen sie den Kopf und den Verstand. Dabei dienen uns der Kopf und der Verstand auch zu irgendetwas, sonst wären sie nicht da.

Din Zustand der „Kopflosigkeit“ kennen wir alle aus unseren Träumen oder Tagträumen

Die linke Gehirnhälfte, die auch als die „männliche“ bezeichnet wird, ist dafür zuständig, Informationen, die ihr durch die fünf Sinnen übermittelt werden, kritisch zu analysieren und zu bewerten. Sie ist für das logische und lineare Denken in Zeit und Raum verantwortlich. Ohne die linke Gehirnhälfte würde uns an Urteilsvermögen fehlen.

Die rechte Gehirnhälfte, die auch als die „weibliche“ bezeichnet wird, beschäftigt sich mit Gefühlen, Träumen, dem Unterbewusstsein, der Intuition und der Kreativität. Die Messung der Schwingungsfrequenzen des Gehirns ergeben vier Bewusstseinsebenen:

  • Betazustand: Der Wachzustand, in dem wir unsere Umgebung mit fünf Sinnen voll wahrnehmen und kritisch analysieren. (Frequenzbereich: ca. 13-40 Hz)
  • Alphazustand: Die Brücke zwischen Wach- und Schlafzustand. In diesem zustand sind unsere Sinne und das Bewusstsein nicht mehr voll aufnahmefähig und wir befinden uns in einem leichten Trancezustand. (Frequenzbereich: ca. 8-13 Hz)
  • Thetazustand: In diesem Frequenzbereich befinden wir uns, wenn wir schlafen. In diesem Schlafzustand finden unsere Träume statt. (Frequenzbereich: ca. 3-8 Hz)
  • Deltazustand: Das ist der komatöse Zustand, in dem wir uns bei einem tiefen Schlafzustand befinden. Auch Menschen, die „klinisch tot“ sind, scheinen diesen Frequenzbereich erreichen zu können. (Frequenzbereich: ca. 0,1-3 Hz)

Je geringer die Schwingungsfrequenzen des Gehirns werden, desto inaktiver wird die linke Gehirnhälfte, umso aktiver die Rechte. In einem Frequenzbereich von 40 Hertz sind wir bei vollem Bewusstsein und unsere fünf Sinne sind hoch sensibilisiert. Die linke Gehirnhälfte ist voll aktiv – wir sind voll im Kopf. In so einem Zustand befinden wir uns z.B., wenn wir in einer Gefahrensituation sind. Wir riechen, hören, sehen viel intensiver, als wir es in Normalzustand tun würden. Ein Mensch im Deltazustand dagegen hat kaum noch Wahrnehmungen von der Außenwelt und kann auf die Reize in seiner Umgebung nicht oder nur bedingt reagieren. Oder man könnte auch sagen „er ist nicht mehr voll im Kopf.“

Wenn wir träumen, befinden wir uns im Thetazustand

Je nach Schlaftiefe sind unsere Sinne mehr oder weniger aktiv. In Luziden Träumen haben wir unser Bewusstsein dabei. Wir können riechen, spüren, hören, denken und analysieren. Die linke Gehirnhälfte ist noch weitgehend aktiv und wir können die Informationen im Traum auf ihre „Richtigkeit“ bewerten. Je näher wir dem Deltazustand in unseren Träumen kommen, desto geringer wird unser Urteilsvermögen. In unseren Träumen können wir fliegen oder tauchen, ohne Flügel oder Tauchausrüstung dabei zu haben. Dabei kommt es uns keineswegs komisch vor, dass wir solche Fähigkeiten haben. Die linke, analysierende Gehirnhälfte ist wenig aktiv. Das Bewerten und Überprüfen der Begebenheiten sind nicht mehr möglich. Doch, was im Traum uns die absolute Freiheit gibt, zu sein und zu tun, was wir wollen, könnte uns im Wachleben das Leben kosten! Stell dir vor, du würdest auf dem Dach eines Hochhauses stehen und hinunterspringen, weil du glaubst, fliegen zu können.

Was uns im Wachleben davon abhält, solche Aktionen zu unternehmen, ist tatsächlich die analysierende linke Gehirnhälfte. Wenn wir auf dem Dach eines Hochhauses stehen und mit den Gedanken spielen, zu fliegen, meldet sich die linke Gehirnhälfte. Sie schätzt die Höhe an, erinnert uns an unsere fehlende Flugfähigkeit und an die Erdanziehungskraft und daran, dass wir diesen Flug nicht überleben werden. Sie aktiviert unsere Ängste, die uns dann davon abhalten, den Sturz in den Tod zu wagen. Dafür sind Ängste da: Um uns am Leben zu halten.

Es gibt tatsächlich Menschen, denen die Amygdala im Gehirn fehlt. Man könnte auch sagen „sie sind nicht voll im Kopf.“ Die Amygdala ist unter anderem für Ängste zuständig. Menschen ohne Amygdala leben sehr gefährlich und müssen rund um die Uhr bewacht werden. Das ist kein anstrebenswerter Zustand so völlig angstfrei zu leben.

So einen Zustand der „Kopflosigkeit“,

die wir aus den Träumen kennen, habe ich einige Mal auch im Wachleben erlebt. Und auch wenn ich sehr dankbar für diese Erfahrung bin, doch bin ich auch gottfroh, dass ich aus diesem Zustand wieder herausgekommen bin. Sonst würde ich heute nicht hier sein und diesen Beitrag schreiben, sondern ich würde in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie sitzen und medikamentös behandelt werden. In diesem komatösen Zustand, den ich im vollem Wachsein über Tage hinweg erlebte, war ich zwar voll im Kopf, weil ich mit meinem Kronenchakra verbunden war, aber nicht mehr im Verstand.

Meine linke Gehirnhälfte war so eingeschränkt in ihrer Funktion, dass ich nicht in der Lage war, ein Gespräch zu führen. Ich konnte nicht mehr linear denken, lesen, mich verständigen oder andere verstehen. Und obwohl ich voll wach war, war es mir nicht möglich, meine Umgebung wahrzunehmen. In diesem Zustand war mir der Zugang zu anderen Ebenen weit geöffnet, und ich habe mir viel Wissen angeeignet. Aber, was hätte mir dieses Wissen genutzt, wenn ich in diesem Zustand geblieben wäre und das Erworbene nicht in meinem Leben integrieren konnte? Für die Integration musste ich wieder voll im Kopf sein.

Aus solchen Erfahrungen habe ich gelernt,

dass es nützlich sein kann, „den Verstand“ mal zu verlieren und sich voll einer anderen, „unlogischen“ Welt zu begeben. Doch ist es ebenfalls wichtig, wieder zu Verstand zu kommen, die analysierende Gehirnhälfte zu aktivieren, um das Erworbene im eigenen Leben integrieren zu können. Um uns auf einer gesunden Art und Weise entwickeln zu können, brauchen wir beide Gehirnhälften: die intuitive und die analysierende. Es geht nicht darum, den Kopf oder den Verstand zu verlieren oder angstfrei zu werden, sondern um einen gesunden und ausgeglichenen Maß an unserer Intuition und Denkfähigkeiten. Denn, was uns nicht dient, ist uns nicht gegeben.

Sara Sadeghi


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